Bühnenproduktionen

LYRIKALION 2
Weg zum Bahnhof






Die Musik
Leseprobe
Die Gedichte


WEG ZUM BAHNHOF

Günter Eich-Lyrikalion
von Christoph Schmid

In seiner dritten vonINNENnachAUSSEN-Produktion im Skulpturenmuseum im Hofberg, stellt der Landshuter Künstler Christoph Schmid mit verschiedenen künstlerischen Mitteln den Dichter Günter Eich vor.
Spätestens seit den 12. Landshuter Literaturtagen 2008, die diesem bedeutenden Dichter der Nachkriegszeit gewidmet waren, ist Eich einem breiteren Landshuter Publikum wieder in Erinnerung gerufen worden.
Eich zählt zu den maßgebenden Lyrikern Hörspielautoren der deutschen Nachkriegsliteratur.
Die Tatsache, dass Günter Eich zwischen 1945 und 1954 im Hause Schmid in Geisenhausen wohnte und dort zentrale Werke schuf, stellt eine spezielle persönliche Verbindung zwischen Schmid und dem Dichter her.
Der Titel des Abends „Weg zum Bahnhof“ bezieht sich auf ein Gedicht, dass Eich in Geisenhausen verfasste.
Aber menschliche „Bahnhofssituationen“ sind mehr als nur ein Titel, sondern ein lebenslang im Werk von Eich nachspürbares Grundmotiv.
Schmid spannt dabei den Bogen von Werken der Frühzeit bis hin zu den späten „Maulwürfen“,kurzen Prosatexten der 70 Jahre, die den künstlerischen Stilwandel in Eichs Werk deutlich werden lassen.
Musikalisch stellt Schmid den Texten Klavierstücke des Landshuter Komponisten Heinz Kaiser entgegen.  Die  Mezzosopranistin Ute Feuerecker singt 7 Klangspiele nach Gedichten von Günter Eich von Schmid und als Novum gibt es zwei Vertonungen von Eich-Gedichten des österreichischen Komponisten Gottfried von Einem zu hören.
Wortdichtung und Musik sind mit szenischen Komponenten, die Schmid zusammen mit Melanie Kaltenbacher kreiert hat, verbunden. Kaltenbacher fungiert als imaginäre Assistentin in den szenischen Übergangssituation, die sich aus der Verbindung zwischen Wort, Stille und Musik herauskristallisieren. Originalzuspielungen runden diesen Abend zu einem vielgestaltigen Bühnengewebe aus Wort, Musik, Szenen und den entsprechenden Übergangen zwischen Stille, Klangwort und Musikklang, ab.

Besetzung:
Christoph Schmid: Konzeption, Klavier und Rezitation
Melanie Kaltenbacher: Assistenz und szenische Mitarbeit
Ute Feuerecker: Mezzosopran

Musik:
Heinz Kaiser
Christoph Schmid
Gottfried von Einem




Die Musik

Christoph Schmid
Sieben Klangspiele nach Gedichten von Günter Eich
für Mezzosopran und Klavier linke Hand alleine

Am 1. Februar 2007 hätte einer der bedeutendsten Dichter der Nachkriegszeit, Günter Eich,  seinen 100. Geburtstag gefeiert. Aus diesem Anlass heraus sind diese Erstvertonungen entstanden. Dem verknappenden Sprachduktus Eichs folgend, schwebt die Musik zwischen Chanson und Kunstlied und sucht der tiefe der Gedichte mithilfe einer zurückhaltenden musikalischen Schlichtheit zu begegnen.  Der Klaviersatz (für die linke Hand allein konzipiert ) ergänzt die Melodie  nur mit den allernotwendigsten harmonischen Informationen.
Die Harmonik ist durchaus tonal, ohne jedoch in die Gefahr zu geraten, romantisch überschwänglich zu werden. Ein Intermezzo für Klavier allein, kann nach belieben zwischen die Vertonungen gesetzt werden.




Leseprobe

Günter Eich
Textauszug "Maulwürfe"

NATHANAEL

Meinen Schulterreiter sieht niemand. Er hat knochenlose schlangenartige Beine und zieht sie um meinen Hals zusammen, wenn ich etwas tue, was er nicht will.
Deshalb gehe ich nie ins Theater.
Es klingelt eines Tages und er lag vor der Tür. Heb mich auf, jammerte er, und flugs, man könnte sagen jach, saß er auf meiner Schulter, als ich mich bückte.
In Tausendundeiner Nacht ist ein Verfahren angegeben, wie man Schulterreiter loswerden kann. Man betrinkt sich und macht ihn neidisch, er will auch trinken, dann wirft man ihn ab.
Aber wir sind beide zu Säufern geworden, ohne daß er den muskulösen Druck um meinen Hals gelockert hätte. Wir singen zusammen und haben den gleichen cafard. Oh schnöde Welt, sagt er und zieht die Beine noch fester an. Wenn du mich fallen läßt, kriegst du Atemnot, ich kenne deine alten Tricks.
Er behauptet, er hieße Nathanael, und hat mir das Du angeboten.
Aber ich rede ihn mit Er an, wie der alte Fritz seinen Müller.




Die Gedichte

GEISENHAUSEN

Das Gras auf dem Turmgesimse
erzittert im Glockenschlag.
Die Flüge der Dohlen teilen den
Himmel mir und den Tag.

So werden Glocken und Vögel
mein Raum und meine Zeit.
Das Ochsengespann in der Tiefe
zieht Holz in die Ewigkeit.

Der Zeiger der Turmuhr läuft schneller
unter dem Dohlengewicht.
Die Vögel über den Dächern
fürchten kein Gericht.



WEG ZUM BAHNHOF

Noch schweigt die Fabrik,
verödet im Mondschein.
Das Frösteln des Morgens
wollt ich gewohnt sein!

Rechts in der Jacke
die Kaffeeflasche,
die frierende Hand
in der Hosentasche,

so ging ich halb schlafen
zum Sechsuhrzug,
mich griffe kein Trauern,
ich wär mir genug.

Nun aber rührt der warme Hauch
aus den Bäckerein
mein Herz an wie eine Zärtlichkeit
und ich kann nicht gelassen sein.



REISE

Du kannst dich abwenden
vor der Klapper des Aussätzigen,
Fenster und Ohren verschließen
Und warten, bis er vorbei ist.

Doch wenn du sie einmal gehört hast,
hörst du sie immer,
und weil er nicht weggeht,
mußt du gehen.

Packe dein Bündel zusammen, das nicht schwer ist,
denn niemand hilft dir tragen.
Mach dich verstohlen davon und laß die Tür offen,
du kommst nicht wieder.

Geh weit genug, ihm zu entgehen,
fahre zu Schiff oder suche die Wildnis auf:
Die Klapper des Aussätzigen verstummt nicht.

Du nimmst sie mit, wenn er zurückbleibt.
Horch, wie das Trommelfell klopft
vom eigenen Herzschlag!







von innen nach außenChristoph Schmid
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