BühnenproduktionenLYRIKALION Draußen (drinnen) wo die Welt beginnt
Die Musik Die Gedichte Fotos Die Kritik
Lyrikalion für einen Pianisten und eine Technikerin
Ein Lyrikalion ist eine Veranstaltungsform, in der sich Gedichte, Musik, theatrale Elemente und Zuspielungen von Originalgeräuschen, zu einer nicht mehr trennbaren Einheit verbinden.
Christoph Schmid verbindet seine Gedichte aus dem Band "Draußen wo die Welt beginnt", mit der Musik des zeitgenössischen englischen Komponisten Howard Skempton. Daneben spielt ein Regengeräusch, das von einer Technikerin, die Teil der kleinen Inszenierung ist, ins Spiel gebracht wird, eine wichtige Rolle.
Dieser Abend richtet sich nach dem vonINNENnachAUSSEN vorgestellten Veranstaltungskonzept.
Die Musik
Mit zwei Schlagwörtern kann man die Musik von Skempton treffend charakterisieren: Seine Klavierstücke sind kurz und einfach. Dies heißt aber nicht, dass seine Musik simpel ist. Die minimalistische Stücke von Skempton sind fragile Klanggebilde, die sich nicht scheuen Bekanntes, ja Populäres neben Unerhörtes zu stellen: Musikalische Momentaufnahmen, die einen Augenblick musikalisch festhalten.
Die Gedichte
LESEPROBEN
Kriegsbericht (Die Lage an der Front)
Jawohl wacker habe ich mich geschlagen an der eigenen Front. Mutig war ich und bin keiner Wunde ausgewichen die ich mir zufügte. Im Lazarett erst erfuhr ich von einem Kameraden dass die Front des Feindes ganz woanders sei. Da ich es nicht glauben konnte fragte ich einen Zweiten der übersät mit Narben krank zu Bette lag. Von da an musste ich es glauben in den falschen Krieg gezogen zu sein. Meine Orden waren wertlos und der Rang den ich blutig mir erkämpfte schmeckt jetzt nur noch bitter.
Bitte an ein Kind (Alles von Vorne)
Lernst du mir aufzustehen wenn der Morgen graut und mich zu betten wenn es dämmrig wird ?
Sag mir immer wieder meinen Namen damit ich ihn behalten kann. Gib mir ein Zeichen wenn ich sprechen soll.
Lerne mir Alles.
Fotos
Bianca Schnepf und Christoph Schmid
Uraufführung im Skulpturenmuseum Fritz König in Landshut.
Neuinzinierung im Rahmen der JANUS-Winterakademie in der Galerie 561 29.01. 2012
Die Kritik
Kritik Lyrikalion „Draussen (drinnen) wo die Welt beginnt“ Feuilleton Landshuter Zeitung
REGEN IM BERG Gedichte und Musik: Christoph Schmids „Lyrikalion“ im Landshuter Skulpturenmuseum
„vonINNENnachAUSSEN“ - im Rahmen seines „Forums für regionale Kultur“ realisierte der Landshuter Pianist, Schriftsteller und Komponist Christoph Schmid in Zusammenarbeit mit Bianca Schnepf das, was er sich unter einem „Lyriaklion“ vorstellt. Im Landshuter Skulpturenmuseum im Hofberg, das den dafür idealen Rahmen bot, ließ Schmk8id aus Lyrik, Klaviermusik und zugespielten Geräuschen ein Ganzes an thematischen Ein- und Ausdruck entstehen. Nähe und Distanz, ungezwungenes Schlendern und atemloses Sitzen, lockere Unterhaltung und angespannte Konzentration im Sinne eines neuen Weges der künstlerischen Darstellung und effektiveren Vermittlung nutzt Schmid in beeindruckend geplanter und funktionierender Weise. Drei Schauplätze des Projekts – der einleitende Empfangsraum im Stile eines mit edlen Skulpturen und eher weltlichen Getränken ausgestatteten Cafehauses; die ebenfalls skulpturenbestückten Wandelgänge, durch die eine lose auf dem Bodenpflaster ausgelegte Spur von Noten- und Textkopien zum Thema und zum Hauptraum des Abends führen: und schließlich dieser Hauptsaal des Museums, der in Ausstattung und Anlage an sich schon etwas von Distanz, Strenge und kühler Ästhetik ausstrahlt und als Zentrale des Lyrikalions fungiert. Dazu charmante Einspielungen über Lautsprecher, wie sich der Besucher zu fühlen und wann und wo er sich zur Hauptvorstellung einzufinden hat, wie spät es sei und wie viel Zeit zum Müßiggang nach zur Verfügung stehe – diese Zutaten informierten, befremdeten erst, bewirkten aber dann ein leichtes Schmunzeln des Gastes: Man meint es gut mit ihm! „Draussen (drinnen), wo die Welt beginnt: Hier , im Herzen des Museums, wurde dann im umgekehrten Sinne das inszeniert, was man als „Höhlengleichnis“ des Sokratischen Zeitalters kennt, das Bemühen zum Einsichten und Erkenntnisse zwischen Fessel und Freiheit, Licht und Schatten, Wissen, Ahnen und Glauben. Der gut gefüllte Saal, an antike Kultstätten gemahnend, bot das Szenario für die meist kurzen Gedichte Schmids im Wechsel mit Klavierstücken von Howard Skempton und den Einspielungen der „Technikerin“ Bianca Schnepf, die auch die vorgegebenen Titel der Gedichte mit nuancierten Wiederholungen aktivierte. Im Schutz der Höhle, in absoluter Stille der Umgebung, konnte man das Aufklatschen des steten Tropfens und das Crescendo des Regenschauers und des Donners vernehmen, um sich dann mit voller Konzentration den Gedichten und Klavierstücken hinzugeben. Nun erfordern diese meist präludienmäßig angelegten, kurzen Stücke des Engländers Howard Skempton, komponiert innerhalb der letzten 50 Jahre, keine extrem fingerfertige Ausbildung des Pianisten. Die Entwicklung im Raum stehender kristallklarer Klanggebilde aber, das behutsame Ineinanderfließen der Töne, das minimale Alterieren serieller Phrasen mittels der Reibungen von Sekunden oder Halbtönen oder rhythmischen Wechseln und Synkopen stellt den Pianisten in den Anforderungen an Durchsichtigkeit, Lautstärke und angepasstes Tempo vor nicht geringe musikalische Aufgaben. Mithilfe des guten Instrumentes und der voll genutzten Akustik des Saales gelang es Schmid eine genau angepasste, eloquente, manchmal auch in rührender Einfachheit aufblühende Alternative zu seinen Gedichten. So wie die Schilderung des Wassers den Kernpunkt des musikalisch-technischen Teils bildet, so drehen sich die Inhalte von Schmids Gedichten um Geburt, Kindheit, Lebensformen, Krieg und Frieden, Herr und Knecht, Traum, Liebe, Verzweiflung und Tod. „Wo Unordnung wahr ist, werde ich keine Ordnung dulden“ – unter diesem Motto werden Einspruch, Widerstand gegen das Übel, Mut zum Unerwarteten, Widersprüchlichkeiten, Spontanen und Ergebenheit in das sowieso nicht zu Ändernde von Schmid in kurze, aber sprachlich wirksame Impulse transformiert. Fragen werden gestellt; meist aber versucht er vergeblich geltende Antworten zu finden auf das, was dem Menschen als Rätsel entgegensteht, ihn aber auch ausmacht.
Das musikalische Leitthema des Films „Das Piano“ und eine leise erklingende große Septime als Zugabe beendeten einen mit viel Applaus bedachten Abend.
Heinz Kaiser
|